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Nimmt Holcim seine Verantwortung wahr?

An der Generalversammlung von Holcim fragte ACTARES, wie Holcim einen seit mehreren Jahren dauernden Konflikt in Guatemala zu lösen gedenke. Gegen den erklärten Willen der Bevölkerung wird ein Projekt für einen Steinbruch und eine Zementfabrik vorangetrieben. Wer sich dagegen wehrt, wird bedroht und schikaniert.

Holcim ist mit 20 % am Projekt für eine Zementfabrik und einen Steinbruch in der guatemaltekischen Gemeinde San Juan Sacatepéquez beteiligt. Die andern 80 % hält Cementos Progreso, eine Firma im Besitz einer einflussreichen guatemaltekischen Familie. Entgegen der heute international anerkannten Best Practice wurde die ansässige Bevölkerung nie um ihre Meinung gefragt. Sie steht dem Projekt mehrheitlich ablehnend gegenüber, da ihr Einkommen hauptsächlich auf der Produktion von Blumen, Früchten und Gemüse beruht.

Gewalt und Drohungen

Die sich friedlich wehrende Bevölkerung erntete Gewalt und Drohungen von maskierten Gruppen, staatlichen Instanzen und durch Angestellte von Cementos Progreso. Führende Leute wurden umgebracht oder unter fadenscheinigen Gründen inhaftiert. Um eine Zufahrtsstrasse zum Projekt zu erstellen, wurde der Ausnahmezustand erklärt und der Bau mit einem Grossaufgebot von Militär und Polizei durchgesetzt. Staatlichen Schutz kann die Bevölkerung nicht erwarten. Holcim trägt deshalb eine erhöhte Verantwortung für die Sicherheit der betroffenen Bevölkerung.

Was unternimmt Holcim?

Brieflich fragte ACTARES, was Holcim zur Lösung des Konfliktes unternommen habe. Eine erste Antwort war sehr unverbindlich. Erst auf Nachfrage gab es genauere Informationen. Holcim habe aufgrund der «nur» 20%igen Beteiligung wenig Einfluss. In der Planungsphase habe die Holcim-Vertretung im Verwaltungsrat von Cementos Progreso versucht Einfluss zu nehmen. Heute stehe die lokale Bevölkerung mehrheitlich hinter dem Projekt.

An der Generalversammlung von Holcim bezweifelte ACTARES, dass Holcim, als mächtiger, weltweit verankerter Konzern, so wenig Einfluss habe, und stellte die Frage, wie nach Jahren mit Gewalt und Drohungen eine Zustimmung der Bevölkerung zustande gekommen sein soll. Holcim antwortete, sie wüssten das auch nicht, ein endgültiger Entscheid sei in dieser Sache aber noch nicht gefallen. ACTARES wird ein Gespräch verlangen, um noch genauere Informationen zu erhalten.

www.multiwatch.ch/de/p97000695.htm

tinyurl.com/cwqvej8 (Peace Brigades International)


Situation in Guatemala

Vom jahrzehntelangen Bürgerkrieg, der 1996 endete, war vor allem die indigene Bevölkerung betroffen. Unter dem Vorwand der Kommunismusbekämpfung wurden Hunderte von Dörfern zerstört, mehr als 200‘000 Menschen massakriert und eine Million vertrieben.

Nach dem Ende des Krieges kehrten noch lange keine geordneten Verhältnisse ein. Nur unter internationalem Schutz getrauten sich die Vertriebenen wieder in ihre Dörfer zurück. Die Gewalt dauerte weiter an, eine verlässliche Justiz gab es nicht. Eine begrenzte Zahl von Familien beherrschte weiterhin Wirtschaft und Politik, Militär, Polizei und Justiz.

Bis heute hat sich nicht viel daran geändert. In neuester Zeit nahm die Gewalt wieder zu. Die Drogenmafia und andere bewaffnete Gruppen machen das Land unsicher. Auf diesem Hintergrund müssen heutige Konflikte in Guatemala gesehen werden. Die mehrheitlich indigene Bevölkerung hat kaum Vertrauen in die Organe des Staates, die eng mit den herrschenden Familien des Landes verflochten sind.