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Abstimmungen über Vergütungen

Sechs der zwanzig grössten an der Schweizer Börse kotierten Unternehmen haben konsultativ über ihre Vergütungspolitik abstimmen lassen. Der Widerstand der Aktionärinnen und Aktionäre gegen die hohen Vergütungen war moderat, aber unübersehbar. Novartis lehnte eine Abstimmung ab.

Die Verwaltungsräte von ABB, Credit Suisse, Nestlé und UBS haben ihre Vergütungsberichte der Generalversammlung zur Konsultativabstimmung vorgelegt. Damit kamen sie einem entsprechenden Antrag der Stiftung Ethos und 8 öffentlicher Pensionskassen zuvor. Roche hat diesen Schritt gar aus freien Stücken gemacht und sich so einen Vorsprung gegenüber Novartis gesichert, dessen Führungsriege dieses neue Vorrecht der Aktionärinnen und Aktionäre zu verhindern wusste.

Tiefer Graben bei Novartis

An der Generalversammlung von Novartis befürworteten 31% der anwesenden Aktionärinnen und Aktionäre den Antrag von Ethos für eine Konsultativabstimmung über die Vergütungen für die Unternehmensleitung. Sieht man von den Stimmrechten ab, die automatisch im Sinne der Anträge des Verwaltungsrates ausgeübt wurden, stehen sich zwei ungefähr gleich starke Lager gegenüber. Eine Beibehaltung des Status quo lässt sich so kaum rechtfertigen.

UBS mit gutem Beispiel voran

UBS sticht gleich in zweifacher Hinsicht positiv hervor: Erstens gab die Grossbank Ende 2008 als Erste bekannt, an der Generalversammlung 2009 eine konsultative Abstimmung über die Vergütungen durchzuführen. Zweitens stellt sie im Unterschied zu anderen Unternehmen nicht den Vergütungsbericht über das vergangene Geschäftsjahr zur Diskussion, sondern das Vergütungssystem an sich, das heisst die Struktur und die Modalitäten künftiger Entlöhnungen. Die Debatte wird dadurch nicht einfacher: Statt lediglich zu den Vergütungen des Vorjahres Stellung zu nehmen, sind die Aktionärinnen und Aktionäre gefordert, das System im Detail zu analysieren und seine Auswirkungen abzuschätzen. Allerdings können sie so ihre Verantwortung am ehesten wahrnehmen. Zudem ist dies das einzige Vorgehen, das auch dann beibehalten werden könnte, wenn die Abstimmung durch die Generalversammlung zwingend vorgeschrieben würde, wie dies die Volksinitiative «gegen die Abzo- ckerei» fordert.

Fixe Vergütungen für den Verwaltungsrat

Ein weiterer positiver Aspekt des Systems, das der UBS-Generalversammlung zur Genehmigung vorgelegt wurde, ist die Abkehr von variablen, vom jährlichen Unternehmenserfolg abhängigen Vergütungen für den Verwaltungsrat. Hingegen fehlt ein Mechanismus zur Begrenzung künftiger Vergütungen auf einen absoluten Wert oder auf ein bestimmtes Verhältnis zwischen festen und variablen Bestandteilen. Die heute bekannt gegebenen Vergütungen für die Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitglieder sind zwar akzeptabel, aber es gibt keine Garantie dafür, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Deshalb lehnt ACTARES dieses System ab.

Credit Suisse und Co

Die Vergütungen für den CEO und die Verwaltungsratsmitglieder der Credit Suisse Group lagen 2008 mit etwas weniger als 3 Millionen Franken deutlich unter denjenigen früherer Jahre. Angesichts des Jahresverlustes von über 8 Milliarden sind sie aber immer noch stattlich. Zudem ist die Antrittsprämie von 19 Millionen für den neuen Leiter der Region Asien-Pazifik - und sei dieser noch so talentiert - für ACTARES inakzeptabel. Auch die von ABB, Nestlé und Roche vorgelegten Berichte enthielten einige Aussagen, die ACTARES zur Ablehnung bewogen haben. Von der Antrittsprämie für den neuen Konzernleiter einmal abgesehen, liegen die Vergütungen bei ABB noch am ehesten in einem annehmbaren Rahmen. Trotz Krise - auch wenn sie davon bis jetzt nicht allzu stark betroffen waren - gestehen die übrigen Unternehmen ihrer Führungscrew aber nach wie vor überzogene Summen zu.

Positive Auswirkungen

Dass die Generalversammlungen über die Vergütungsberichte befinden können, ist in verschiedener Hinsicht positiv. Die Mitglieder von ACTARES haben dadurch den Vorteil, dass sie sich künftig gezielt zu dieser Frage äussern und darüber abstimmen können. Bislang konnte man seinen Unmut über die Vergütungspraxis nur indirekt ausdrücken: durch die Ablehnung des gesamten Tätigkeitsberichts, die Verweigerung der Entlastung der Verantwortlichen oder durch die Ablehnung der Mitglieder des Vergütungsausschusses bei Wiederwahlen. Solche indirekte Sanktionen, die als Notlösung eher zweischneidige Wirkung zeigten, gehören der Vergangenheit an. Die Qualität des Dialogs kann davon nur profitieren. Ein weiterer Vorteil ist die spürbar bessere Transparenz: Zwar fordert die Börsenaufsicht bereits heute die Publikation detaillierter Zahlen, aber die Aussicht auf eine Abstimmung samt zugehöriger Debatte zwingt das Management dazu, die Einzelheiten und Auswirkungen des Systems zu kommunizieren.

Kontroverse

So konnte etwa eine breite Debatte über die Praxis der «Golden Hellos» - Antrittsprämien für Unternehmensführer - initiiert werden. Der Hintergrund: Die Entlöhnung von Top-Managern erfolgt immer häufiger zeitlich verzögert und wird an den langfristigen Erfolg des Unternehmens gekoppelt. Gesperrte Aktien oder Kaufoptionen sollen sicherstellen, dass die Aktionärsinteressen gewahrt bleiben. Verlässt jedoch ein Manager das Unternehmen, gehen diese Vergütungsanteile häufig verloren. Mit den Antrittsprämien werden aber Kosten auf den künftigen Arbeitgeber abgewälzt. Deshalb lehnt ACTARES diese Praxis ab.

Fazit

Die Vergütungsberichte wurden an den Generalversammlungen letztlich mit Mehrheiten zwischen 86 und 92% gutgeheissen. Diese Zustimmung mag hoch erscheinen, sie liegt aber deutlich unter der Quote von 97 bis 99%, mit denen Vorschläge der Verwaltungsräte in der Regel angenommen werden. Dabei stellt sich die Frage nach dem Stimmverhalten der institutionellen Anleger und namentlich der Schweizer Pensionskassen, die Schätzungen zufolge rund 20% der Börsenkapitalisierung halten. Ist es annehmbar, dass sie die Zahlung von 13 Millionen CHF an den neuen Konzernleiter von ABB gutheissen, bevor dieser sein Amt überhaupt angetreten hat? Und wie steht es um die 14 Millionen für den Verwaltungsratsvorsitzenden von Nestlé? Die Antwort liegt auf der Hand.

Glossar

Abgangsentschädigung: beim ordentlichen Austritt aus dem Unternehmen (ohne Eigentümerwechsel) ausbezahlte Prämie. Bei Arbeitsverträgen mit einer Kündigungsfrist von mehr als 12 Monaten spricht man von «versteckten» Abgangsentschädigungen.
Goldener Fallschirm: Abgangsentschädigung, die bei einem Eigentümerwechsel des Unternehmens (Übernahme, Fusion usw.) ausbezahlt wird.
«Golden Hello» oder «Sign-on-Bonus»: bei der Einstellung ausbezahlte Antrittsprämie zur Kompensierung des Verlusts von gesperrten Aktien oder Optionen, der durch den Stellenwechsel erlitten wurde . Gesperrte Aktien: Massnahme, um die Entlöhnung von Managern an den langfristigen Erfolg des Unternehmens zu koppeln. Die Manager können erst nach mehreren Jahren - und zuweilen nur bei einem Verbleib im Unternehmen - frei über ihre Aktien verfügen. Gemäss guter Praxis müsste die Freigabe von Aktien an die Erreichung von Leistungszielen geknüpft sein.
Kaufoption: Anrecht, in der Zukunft Aktien zu einem festgelegten Kurs zu kaufen. Kaufoptionen verfallen häufig bei einem Austritt aus dem Unternehmen. Gemäss guter Praxis müsste die Ausübung von Kaufoptionen an die Erreichung von Leistungszielen geknüpft sein.