Aktuell

UBS unter Hochspannung

Eine ausserordentliche Generalversammlung im Februar 2008, die ordentliche Versammlung im April und eine weitere ausserordentliche sozusagen in Aussicht: Die Aktionärinnen und Aktionäre von UBS erleben ein turbulentes Jahr. Auf allen Ebenen ist die Nervosität spürbar.

Für UBS war das Jahr 2007 zwar bereits mit einigen Zwischenfällen gespickt, so etwa mit der plötzlichen Liquidation der Verwaltungseinheit Dillon Read Capital Management oder dem überraschenden Abgang von CEO Peter Wuffli. Doch die im Dezember erfolgte Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung zum Zweck einer Rekapitalisierung kam für alle überraschend.

Gruss aus dem Orient

Das Aktionariat hatte zahlreiche Gründe, unzufrieden zu sein. So wirkte die erforderliche Kapitalerhöhung im Umfang von über 10% wie ein Schock, und die Modalitäten weckten Unverständnis. Die Wahl fiel nämlich auf eine Pflicht-Wandelanleihe exklusiv reserviert für den Singapurer Staatsfonds (GIC) sowie für einen mysteriösen Investor aus dem Nahen Osten. Das Bezugsrecht der bisherigen Aktionärinnen und Aktionäre wurde ignoriert. Der Aktienkurs stürzte ab, doch von der Unternehmensleitung war niemand bereit, sein Mandat niederzulegen. Das schürte die Wut.

Widerstand regt sich

Die Stiftung Ethos reagierte sehr schnell mit einem Antrag auf Sonderprüfung, um die Verantwortlichen für das Debakel zu identifizieren. In den USA ist eine Sammelklage in Vorbereitung. Die schweizerische Pensionskasse Profond setzte als Alternative zur vorgesehenen Wandelanleihe eine ordentliche Kapitalerhöhung auf die Traktandenliste. ACTARES informierte die Mitglieder laufend und unterstützte diese beiden Gegenvorschläge aktiv. Die Zahl der uns übertragenen Stimmrechte erreichte die Rekordsumme von einer halben Million.

Nerven liegen blank

An der ausserordentlichen Generalversammlung vom 26. Februar 2008 überwachten Polizisten in Schutzausrüstung die Ankunft der Aktionärinnen und Aktionäre. Die Omnipräsenz von Fotografen und Fernsehteams lud die angespannte Stimmung zusätzlich auf. Zum Tumult kam es, als Thomas Minder, der hitzige Initiant der Volksinitiative «gegen die Abzockerei», gleich nach seinem Votum von den Sicherheitskräften abgeführt wurde. Er hatte sich zum Podium begeben mit der Absicht, Marcel Ospel ein Exemplar des Obligationenrechts zu überreichen, um diesen an seine Verantwortungen zu erinnern. Letztlich wurde die Rekapitalisierung mittels Wandelanleihe mit 87% der Stimmen gutgeheissen. Eigentlich ein hoher Anteil für eine derart umstrittene Massnahme, doch durch den Kurssturz der UBS-Aktie hatte sich die Konstellation auf finanzieller Ebene verändert. Was Ende Januar für die neuen Investoren noch wie ein gutes Geschäft aussah, war nun zu einer eher mittelmässigen oder zumindest mit gewichtigen Ungewissheiten belasteten Operation verkommen. Für viele Aktionärinnen und Aktionäre, vor allem für Finanzprofis, hat dies den Ausschlag gegeben.

Die Folgen einer Abstimmung

Ganz anders erging es dem Antrag auf Sonderprüfung. Das Ergebnis von 44,5% Ja- und 51,5% Nein-Stimmen erwies sich als echte Sensation. Da bekanntlich 8% der Aktien in den Händen von UBS sind, ist der Wille des Aktionariats klar ersichtlich. Angesichts des hohen Grades an Misskredit ist der Verwaltungsrat bereit, allen Aktionärinnen und Aktionären eine Zusammenfassung sämtlicher Berichte im Zusammenhang mit der Untersuchung der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK), dem schweizerischen Überwachungsorgan, zukommen zu lassen.

Neue Rekapitalisierung

Die Folgen der so genannten Subprime-Krise, ausgelöst durch riskante Hypothekarkredite in den USA, verschlimmerten sich jedoch weiter und brachten zahlreiche Finanzinstitute in Schwierigkeiten. Schnell wurde offenkundig, dass die im Februar beschlossene Finanzspritze nicht ausreichte. Profond setzte erneut eine klassische Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht auf die Traktandenliste der ordentlichen Generalversammlung. Diesmal unterstützte der Verwaltungsrat den Vorschlag der Sammelstiftung. In einem zusehends düsteren Klima wurden - selbst aus dem Zentrum der Finanzwelt - immer mehr Stimmen laut, die den Rücktritt von Marcel Ospel forderten und die Zusammensetzung des Verwaltungsrats heftig rügten. Darin hat nämlich niemand Einsitz, der seine Bankerfahrung ausserhalb von UBS erlangt hätte.

Rücktritt von Marcel Ospel

Am 1. April kündigte Marcel Ospel entgegen der am Vorabend an die Aktionärinnen und Aktionäre versandten Traktandenliste an, er werde nicht für seine eigene Nachfolge kandidieren. Vielmehr wurde Peter Kurer, der UBS-Verantwortliche für Rechts-angelegenheiten, als sein Nachfolger vorgeschlagen. Trotz einer gewissen Erleichterung hagelte es Kritik. Peter Kurer gehört zum engeren Umfeld Marcel Ospels, das UBS ins Debakel geführt hatte. So scheint es unwahrscheinlich, dass er bei der Grossbank einen Kurswechsel zu bewirken vermag. Und die Finanzkompetenzen werden im Verwaltungsrat weiterhin schmerzlich vermisst. Könnte es sich um eine interimistische Lösung handeln? Das Spekulieren und Feilschen geht jedenfalls munter weiter.

Eine nicht ganz ordentliche Generalversammlung

Die Generalversammlung vom 27. April kehrte noch nicht zur Normalität zurück. Die Entlastung der verantwortlichen Organe fehlte auf der Traktandenliste. Offiziell hiess es, der Bericht zuhanden der EKB müsse abgewartet werden. Das Vorgehen ist clever. Eine Verweigerung der Entlastung wäre eine Kränkung, die das restliche Vertrauen in die Bank zerstören könnte. Bei einer Zustimmung hätten die Aktionärinnen und Aktionäre, die Zweifel an der ordnungsmässigen Geschäftsführung hegen, sechs Monate Zeit, um ihre Beschwerden dem Gericht einzureichen. Dies würde eine Lawine von Prozessen lostreten. Für ACTARES war das Dilemma gross. Mangels Alternativen war es nicht zu verantworten, Peter Kurer die Wahl zu verweigern, denn dies hätte UBS weiter in die Krise gestürzt. Proteststimmen versuchen wir zu vermeiden. Die Wahl fiel deshalb auf ein pragmatisches Ja, das uns zur Wachsamkeit verpflichtet.

Angekündigte Veränderungen

Im Bewusstsein um die Fragilität seiner Wahl kündigte Peter Kurer den Aktionären Veränderungen im Verwaltungsrat in den kommenden Monaten an. Dies kommt quasi einer Einladung zu einer weiteren ausserordentlichen Generalversammlung gleich.

Glossar

Pflichtwandelanleihe: eine Anleihe, deren Rückzahlung ausschliesslich in Aktien des Unternehmens erfolgt, das die Anleihe ausgegeben hat.
GIC: Die «Government Investment Corporation» von Singapur ist beauftragt, die Budgetüberschüsse des Staates zu investieren. Mehrere Länder besitzen ähnliche Staatsfonds.
Bezugsrecht: Bei einer Kapitalerhöhung garantiert das Obligationenrecht allen Aktionärinnen und Aktionären einen Teil der neu ausgegebenen Aktien, im Verhältnis zum bisherigen Aktienbesitz.
Sonderprüfung: externe Untersuchung von Vorkommnissen in einer Aktiengesellschaft. Eine Sonderprüfung kann entweder von der Generalversammlung beschlossen oder, auf Ersuchen von Aktionären, die 10% des Aktienkapitals vertreten, durch einen Richter angeordnet werden.
Subprime: In den USA werden riskante Hypothekarkredite «subprime mortgage» genannt. Das sind Kredite, die an nicht kreditfähige Schuldner gewährt werden.